15. 11. 2017 AZ Mainz
Perfekt in Gesang, Musik und Sprache
Von Heike Sobotta
LIEDERABEND Heidrun Kordes, Birgit Thomas, Erika le Roux und Sabine Waffender begeistern in Musikschule mit Programm zum Thema „Frau und Liebe“
INGELHEIM - „Glück ist nur die Liebe, die Liebe ist das Glück“, Robert Schumann vertonte acht Verse von Adelbert von Chamisso zu seinem Liederzyklus „Frauenliebe und Leben“. „Man kann den Zyklus doch
einfach so singen. Mann schon, Frau aber nicht“, entschieden die Sängerinnen Heidrun Kordes und Birgit Thomas, die Pianistin Erika le Roux und die Schauspielerin Sabine Waffender. Unter der Regie von
Sabine Fischmann entstand daraus ein etwas anderer Liederabend. Ein Programm von Frauen zum Thema Frau und Liebe, dem Leben als Frau überhaupt? Eigentlich nichts Neues und doch. Was Heidrun Kordes,
Birgit Thomas, Erika le Roux und Sabine Waffender daraus gemacht haben und jetzt im Kammermusiksaal der Musikschule servierten, hatte es in sich. Es war nicht nur perfekt in Gesang, Musik und
Sprache, die gesamte Inszenierung war mitreißend, traf den Nerv. Denn sie verpackten Schumanns Liederzyklus in ein neues Gewand und heraus kam ein Crossover-Projekt, in dem Liedzeilen mit
altmodischen Textzeilen nahtlos in Melodien und Sprachfluss der heutigen Zeit ineinander übergingen. Schwärmt Frau bei Schumann von „er, der Herrlichste von allen“, stellt sie heute den „hohen Wert
der Herrlichkeit“ in Frage.
Vielmehr empfahlen die Künstlerinnen ihrem Publikum, „Suche den inneren Mann und die innere Frau in dir“, finde deinen eigenen Selbstwert, lebe eine Beziehung in gegenseitiger Achtung, mit Respekt und auf Augenhöhe. Gemäß dem Motto „Liebe ist das Einzige, das sich vermehrt, wenn man es verschenkt“. Und so packten sie zu Chamisso und Schumann unter anderem ein wenig Goethe, Frieds Gedanken zum Sinn und Unsinn der Liebe, etwas Bolero und West Side Story. Drei Stühle, ein Tisch mit Tuch, ein Schleier, ein Blumenstrauß und eine universelle Stoffbahn, die mal Rock, mal Umhang war, genügten als Requisiten, um gesungenen und gesprochenen Texten aus verklärter Romantik und problematischer heutiger Zeit noch mehr Tiefe zu geben. Denn ganz klar, die vier Frauen wussten, wovon sie sangen und spielten, und das servierten sie mit Kopf, Verstand, Esprit und ganz viel Herz. Sie brachten das Frauenleben auf den Punkt. Denn egal zu welcher Zeit, die Gefühle zwischen Mann und Frau, mit berauschendem Beginn, Freude, Verlust und Neubeginn wiederholen sich in Dauerschleife. Suchte sie zu Schumann Zeiten einen Mann, dem sie sich dann unterordnete und als größtes Glück Kinder schenkte, so fehlt heute das Unterordnen. Aber das „I feel pretty“, ich fühle mich schön, wenn ich mich geliebt fühle, ist geblieben. Trotz Rieseninszenierung von Hochzeit mit Jungesellinnenabschied und vielen Ratschlägen für den Hochzeitstag. Und: „Jede dritte Ehe wird geschieden, in Ingelheim sogar überdurchschnittlich“, berichtete Sabine Waffender. Trotzdem, Hildegard Knefs Wunsch ist so aktuell wie eh und je: „Für mich soll’s rote Rosen regnen, mir soll das ganz große Wunder begegnen“, das Publikum war begeistert von der Performance.
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16.01.2017 Wiesbadener Kurier
Von Kathrin Schwedler
WIESBADEN - Die Burgfestspiele, die im Ortsteil Sonnenberg ganzjährig Gastspiele vor allem aus dem sogenannten „klassischen“ Bereich anbieten, eröffneten ihre Saison 2017 mit dem Programm „Frauen. Liebe. Leben“. Kern ist der achtteilige Liederzyklus von Robert Schumann nach neun Gedichten von Adalbert von Chamisso.
Die traumschönen Kompositionen haben ein Problem: In ihnen wird der Lebenskreis vom verliebten Backfisch bis zur grauhaarigen Witwe verklärt, Frauentum als unterwürfiges Dasein an der Seite eines Gatten skizziert. Die Frankfurterin Regisseurin Sabine Fischmann, bekannt durch ihre furiosen Taschenopernprojekte zusammen mit Michael Quast, hat mit einem Darstellerinnenquartett dem Ganzen eine aktuelle Note verpasst. Warum etwas feministisch verspotten, wenn man mit weiteren Kompositionen, zusätzlichen Sprechtexten und spielerischen Arrangements mit Stühlen, Blumen, einem Allzweckrock und einem Tisch das vorgefundene Klischee hinterfragen kann? Im melodiegemixten Klavier-Intro gibt die Pianistin Erika le Roux lässig und mit dem Chamisso-Zitat „Glück ist nur die Liebe/Liebe nur ist Glück“ die Marschrichtung vor. Diese Zeile stammt aus der von Schumann (warum wohl?) nicht vertonten neunten Strophe, in der das lyrische Ich des Gedichtzyklus ihrer Tochter in Reflexion ihrer vergangenen Lebensstationen den „Segensspruch“ mit auf den Weg gibt. Diese Kreisfigur, dass mit jedem Mädchen die Frauenfrage wieder auf Start gestellt wird, illustriert die Inszenierung mit Knefs Chanson „Rote Rosen“. Anfangs nur als Klaviermotiv angetippt, endet das Programm mit dieser selbstironischen Hymne auf ein selbstbewusstes Frauenleben, die mit Schmackes zu viert ins Publikum gesungen wird. Das Programm arbeitet mit einem pausenlosen Patchwork von ineinander verwobenen Kurztexten, Klassik, Musicalsongs, Pop-, Rock- und Soulnummern. Le Roux am Flügel erweist sich als feinfühlige Liedbegleiterin und mit ihren Kapiteleinsagungen als ironische Kommentatorin.
Sehr geerdet ist die Schauspielerin Sabine Waffender mit ihren oft satirischen Fußnoten zu Loverdatings, Hausfrauenstress, Scheidungspartys und tiefenpsychologischen Fragen an Fausts Gretchen. Birgit Thomas steht für die Farbe weiblicher Erotik, und pirscht sich frisch und wenig fromm mit Nummern unter anderem von Cole Porter, Adele oder Gitte Haenning durch die Thematik. Der runde, präsente und differenzierte Sopran von Heidrun Cordes als Stimme der Romantik nimmt durch echte Gefühlstiefe ein. Wobei die Damen in Sachen Jungfernkranz und später beim vermeintlichen Babyglück immer zu dritt agieren. Frauensolidarität statt einsames Heimchen am Herd ist gelebte Realität, Herr Schumann! Und das wurde entsprechend in Sonnenberg mit starkem Applaus gefeiert.
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Hirschberg. (aste) Mit einer furiosen „Crossover-Performance“ holen vier Künstlerinnen Schumanns Liederzyklus „Frauenliebe und Leben“ in die Jetzt-Zeit.
Rhein-Neckar-Zeitung, 4. Mai 2016
„Das sollte man mal auf die Bühne bringen“ .... Und nun, eineinhalb Jahre später, ist aus dem Gedanken eine furiose „Crossover-Performance“ geworden. Der Verein „Musik
in Hirschberg“ hat sie auf die Bühne geholt: Erika leRoux (Klavier), Heidrun Kordes und Birgit Thomas (Gesang)
sowie Sabine Waffender (Schauspiel) und ihr Freundschaftsprojekt „Frauen.Liebe.Leben…“
Zusammen mit Regisseurin Sabine Fischmann haben die vier Künstlerinnen ihre ganz eigene Interpretation von Robert Schumanns Liederzyklus „Frauenliebe und Leben“ kreiert.
Jene acht Lieder nach Texten von Adalbert von Chamisso bilden den roten Faden ihres Programms. Mehr aber auch nicht. Denn Schumanns romantisches Mauerblümchen war gestern. Vor den faszinierten Zuhörern vollzieht sich die Wandlung des verklärten und idealisierten Frauenbildes des 19. Jahrhunderts in ein emanzipiertes Vollweib von heute, wie es wohl keine Frauenzeitschrift besser abbilden könnte. Chamissos Dramaturgie von 1830 folgend, spannt sich der erzählerische Bogen von der ersten Begegnung einer jungen Frau mit dem Geliebten, über das Hochzeitsfest, die Geburt des Kindes bis zum Tod des Ehemanns.
Dies allerdings in einer ebenso gewagten, wie gelungenen Symbiose ganz unterschiedlicher künstlerischer Darstellungsformen.
Ins klassische Liedgut mischen sich Pop, Jazz, Musical und Literatur. Der Bezeichnung „Crossover“ kommt dabei besondere Bedeutung zu, denn in fliegendem Wechsel geben sich von Chamisso, Goethe, Nelson Mandela und zeitgenössische Lyriker, Schriftsteller und Filmregisseure das Wort. Musikalisch vereinen sich parallel Cole Porter, Ravel, Adele und die Eurythmics mit Hildegard Knef und berühmten Musical-Melodien.
Inhaltlich wandelt sich das Bild der treuen, hingebungsvollen Ehefrau aus Schumanns
Zeiten zu dem zwischen Kindererziehung, Power-Diät und Wellness-Yoga jonglierenden Multitasking-Wesen der Jetzt-Zeit. Ein Vollweib erster Güte, bisweilen albern kichernd, dann wieder emanzipiert und
unabhängig, in ständiger Hektik zwischen Glückseligkeit, Tragik, Träumerei und Realität hin-und herpendelnd. Erlebend, wie sich pures Mutterglück mit Apfelsaft und Zuckerperlen auf klebrigem
Küchenboden vermischt, wie sich der Schatten von Affären und Scheidung schon über den Ring am Finger legt und wie nahe Herz und Schmerz am Ende stets doch beieinander liegen.
Ein Porträt aus all den typisch weiblichen Facetten - wie es wohl nur Frauen über Frauen zeichnen können. Authentisch, ehrlich, selbstkritisch und um keinen Humor
verlegen.
Es ist ein Projekt, in das die vier Künstlerinnen, die sich seit mehr als 20 Jahren kennen, viel Herzblut gesteckt haben, sprechen sie hier doch aus eigener Lebens- und Liebeserfahrung.
Die, man mag es drehen und wenden wie man will, eigentlich doch noch immer der alten Dramaturgie folgt. Schauspielerisch, gesanglich und musikalisch steigern sich alle vier zur Höchstform, legen all
ihre Ausdrucksstärken zusammen und bilden dieses wunderbar chaotisch-harmonische Wunderweib. Hier stehen sie nun: auf der Bühne, bejubelt von einem Publikum, das sich von diesem ungewöhnlichen
Crossover-Format hat mitreissen und begeistern lassen.
Eine liebenswerte, künstlerisch hochkarätige Hommage an alle Frauen, die Liebe und das Leben.